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Kunstfehler: Error -1

 

14.10.-13.11.2001
Ausstellungseröffnung, Freitag, den 12.10.2001, 20 Uhr

 

Die Ausstellung kuratierte Sabine Winkler aus Salzburg/Berlin in Zusammenarbeit mit Ute Tischler.

Eine eigene Darstellung der Ausstellung finden Sie unter:

http://error-1.kmza.de

 

Kai Kaljo.jpg (53409 Byte)

Kai Kaljo
A Loser, 1997
Video, F, 1:24min.

 

Lotte K.Lund French lesson.jpg (75889 Byte)

Lotte Konow Lund
French Lesson, 2001
Video, F, 2:20 min.

 

Raidel_Trophäen des Alltags.jpg (25474 Byte)

Ella Raidel
Trophäen des Alltags, 1999
Videoinstallation, 2 Videos, F, 10 und 3 min.

 

Maza_Möglichkeiten der Bewe.jpg (31456 Byte)

Marisa Maza
Möglichkeiten der Bewegung, 1999
Diaprojektion

 

Marisa Maza
Freie Intervalle.vbm-98, 1998/99
Video, F, 6 min.

 

MazaEisl.2.jpg (45373 Byte)

Marisa Maza
Freie Intervalle.vbm-98, 1998/99
Video, F, 6 min.

 

 

Wilkie Tan
Tamagochi; 1999
Interaktive Computerinstallation

 

Tan_1.gif (8917 Byte)

Wilkie Tan
Tamagochi, 1999
Interaktive Computerinstallation
Computerprint, 85x120 cm

 

Josef Dabernig
Wisla, 1996
16 mm auf Video,s/w,8 min
Vertrieb: sixpackfilm

 

Josef Dabernig
Wisla, 1996
16 mm auf Video,s/w,8 min
Vertrieb: sixpackfilm

 

Gerlinde Helm
EX_tension_.time.IN_line.On_#1, 2001
Videoinstallation
4 Videos,F

 

Gerlinde Helm
EX_tension_.time.IN_line.On_#1, 2001
Videoinstallation
4 Videos,F

 

Kai Kuss
Im Süden viel Neues, 2001
Videoinstallation
Video,F

 

Kai Kuss
Im Süden viel Neues, 2001
Videoinstallation
Video,F

 

Robert Jelinek
Amok (Best of Worst), 2001
Video,F

 

 

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Der Fehler

Der Fehler im System, Löcher, Leerstellen, wie werden Fehler definiert, Konventionen, Regeln nicht entsprechen, anders sein? Wer vorallem definiert den Fehler als solchen, Kontrollinstanzen, die Verhaltensnormen etablieren, auf der Basis von tradierten Normen, die sich langsam aber doch verändern, sogenannte "Tabubrüche", die längst schon keine mehr sind, die institutionalisiert und somit neutralisiert werden. Fehler abgeleitet von "fehlen", der Mangel an Übereinstimmung mit Konventionen, Angepaßtheit, oder der scheinheiligen "Correctness", welcher auch immer, sich wandelnde Doktrinen des "So-Sein-Müssens", oder besser, des "So-Scheinen-Müssens", reproduzierte Floskeln der gleichen vorgegebenen Meinungshüllen, die jeder anlegen kann, die immer passen. Perfekt!

 

Fuktionsstörung: Error

Wenn die Konstruktion einer Serie von Abläufen in der Abfolge der programmierten Vorgänge gestört wird, die Funktionsstörung erst einmal alles stoppt, der Ärger sich einstellt, daß etwas nicht funktioniert wie bisher, zum exakt unmöglichsten Moment, stellt sich im Mangel des Funktionierens oft erst einmal die bewußte Wahrnehmung des Systems ein. Haben sich neue Spielregeln eingeschlichen, Informationen, die einem entgangen sind, wurden Rollen getauscht oder vertauscht, ein neues Programm, neue Codes, wer spielt hier falsch, verhält sich nicht den Mustern entsprechend hat das System manipuliert? Chaotische Zustände machen sich breit ... Das konstruierte, vorgegebene Andere, soziokulturelles, historisches, juridisches System oder Computersystem erhebt einen allgemein-gültigen-öffentlichen Anspruch, durchschnittliche Entsprechungsoptionen die zum allgemeinen Maßstab mutieren, deren Nicht-Befolgung eine Bestrafung zur Folge hat.

 

 

Teilnehmende KünstlerInnen und
Projektbeschreibungen

 

Josef Dabernig (Austria)
"Wisla"

 

2 Männer/Schauspieler sitzen auf einer Bank und agieren als Fußball-Trainer, begleitet von tosendem Fußballspielsound, jedoch in einem leeren Stadium, das Spiel findet wo anders statt. Die beiden Protagonisten spielen die Rolle der Fußball-Trainer, der Funktionäre, die spezifische Verhaltensmuster für bestimmte Systeme instruieren und ihrerseits ebenso diesen Schemen entsprechend agieren. Wiedererkennungsmerkmale in Körpersprache und Gestik formieren einen Verhaltens-Code, Fußball-Trainer " haben eben so zu agieren", auch wenn, wie in diesem Spiel, die Instruktionen ins Leere gehen. Ein imaginäres Fußballspiel, der Sound generiert die Bilder. Die Wahrnehmung der visuellen und symbolischen Ordnung stimmt nicht überein, wem glaubt man mehr? Der Fehler oder die Irritation steckt in der Nicht-Übereinstimmung von Wahrnehmungserfahrungen. Wem glaubt man mehr, dem öffentlichen objektiven System, der Kunstkritik, dem Betrachter-Publikum, oder dem subjektiven System? Wettkampf-Strukturen der Wahrnehmungssysteme analog zum (Fußball)-spielerischen Gewinner/Verlierer-Habitus.

 

Robert Jelinek

Amok (Best of Worst)

Ein Schütze zielt mit einem Gewehr auf alle gesammelten Telefonbücher Österreichs (12 Stück) und gibt einen Schuß ab. Der Schütze sucht nach der Kugel, begibt sich auf Spurensuche, sprich blättert die Seiten durch, sucht den Toten, will herausfinden „wen es erwischt hat³. Der Schuß bleibt in Telefonbuch Nr. 8 stecken, Region Niederösterreich. Ein Niederösterreicher wurde Opfer des Telefonbuch-Attentäters.

Das Sichtbarmachen des Täters, das Beobachten der Tat, ein anonymes „zufälliges" Opfer. Ein Schreibtischtäter agiert als reale Bedrohung für eine anonyme abstrakte Masse, die alphabetisch gereiht auf Name, Adresse und Telefonnummer reduziert ist. Eine Umkehrung des „Tatbestandes³ anonymer Täter bekanntes Opfer. „Die Österreicher³ werden in bürokratischen Auflistungen durch Namen und Nummern identifiziert und entsujektiviert, bilden ein Register für Telefonnummern, die „verbindliche" Verkabelung erweist sich als bedrohlich, ein Nummern und Namen Index, als gefährlicher Standort. Wen trifft die nächste Kugel, Schreibtisch ist Tatort. Tödlicher Fehler, der Name wird gelöscht.

Die Deklaration oder Qualifikation (best of worst) als schlechteste Arbeit definiert den Präsentationsrahmen von Amok. Anfallartiges Durchdrehen mit tödlichen Folgen, der Inhalt/Bilderfolge wird formal in einen sprachlichen Kontextrahmen gesetzt, als Teil der Arbeit die Eigen-Beurteilung involviert.Fehlereingeständnis in der Kunstproduktion. Wer hat einen Fehler gemacht, wer ist schuld? Festmachen und Personifizierung von Fehlern als System.

 

Kai Kaljo (Estland)
"A Loser"

 

Die Rolle der Looserin: Die Umkehrung von "idealen" Identitäts-mustern,-Bildern,-Wünschen, ein aus der Rolle/Identität fallen von vorgegebenen Präsentationsmustern von Künstlerselbstdarstellungen, wird durch den inszenierten Blick/Wahrnehmung inklusive vorproduzierter Reaktion von Anderen präsentiert. "Hello, my name is Kai Kaljo, I am an estonian artist, my weight is 92 kilos, I am 37 years old and I am still living with my mother, I am working at the estonian academy of arts as a teacher for 90$ a month, the most important thing in beeing an artist is freedom, I am very happy..." Dazwischen kommentiert Gelächter aus amerikanischen Sit-Coms jedes Statement. Eine Identitätsinszenierung als Comedy-Figur, ständig begleitet vom vorweggelieferten "Dosengelächter" aus dem Off, einer anonymen Öffentlichkeit, spielt mit der glatten Oberfläche von medialen Darstellungsformen im zwanghaften Unterhaltungsuniversum und ist Teil des distanzierten selbstironischen Blicks von Kai Kaljo auf sich selbst. Unspektakuläres/Reales wird mit dem Code der Fun-Gesellschaft, dem Lachen konfrontiert. Ein Nicht-Entsprechen wird inszeniert, indem mit der Differenz von realem und imaginärem Selbstbild/Selbstinszenierung gespielt wird. Subjektivität und deren Dekonstruktion im Kunstbetrieb, am Beispiel einer vorgetragenen Biographie, dokumentarische, bürokratische Aufzählung von biographischen Fakten: Name, Alter, Beruf, Verdienst, sozialer Status, Glückszustand, Daten für einen Identitätsausweis als Maßstab für gesellschaftliche/künstlerische Stellung und Identitätsbestimmung. Biographie als "Fehler", fehlen von ....

 

Lotte Konow Lund (Norwegen)
"Video no.13 or crime and punishment"

 

"I am sorry", in allen Varianten, Entschuldigungen für eigene "Unzulänglichkeiten"/Fehler, die eigentlich "Fehler des Anderen sind", ein Trennungsgespräch, in dem der/die BetrachterIn in die Rolle des Anderen manövriert wird, der "Fehler begangen haben muß", der in eine verantwortliche Position, ins Eck (Standort des Monitors, verkehrt herum mit Bildschirm-Seite zur Wand) gedrängt wird. Fehlersuche bei sich selbst und Entschuldigungen, Relikte jahrhundertelanger anerzogener weiblicher Verhaltensmuster kombiniert mit Vorwürfen, Beschimpfungen, Schuldzuweisungen, aktiven Verteidigungsmechanismen, die den/die BetrachterIn in die Rolle des/der "gemeinen TäterIn" zwingen. Er/Sie findet sich plötzlich in eine private Geschichte involviert, wird von Emotionsausbrüchen attackiert, ohne genau zu wissen um was es geht, was passiert ist. Ein objektives System (Kunstbetrieb) wird direkt mit einem subjektiven (KünstlerInnensystem) konfrontiert. Fehler in der Kommunikation und im Umgang, Unbewußtheit von Fehlern, erst durch Reaktion wird Reflexion in Gang gesetzt. Was war der Fehler, die Verletzung, das "Verbrechen"? Konsequenz, Bestrafung: Liebesentzug.

 

Lotte Konow Lund (Norwegen)
"French Lesson"

 

Eine Französischlehrerin fordert eindringlich ein sehr blasses, gequältes Schulmädchen auf ihr nachzusprechen. Wiederhole ist der Befehl, den das Mädchen widerspruchslos, ohnmächtig befolgt. Projizierte Verhaltensregeln in Französisch, Anpassungsdoktrinen, Anweisungen zur Erlangung des Prädikats "good girl" werden vorgesprochen. Bourgeoise "Lebensweisheiten" werden vermittelt, wie "es gibt Dinge, über die man nicht reden soll, ich frage nicht, man sollte nicht zuviel nachdenken, ich unterdrücke meine Ängste ..." Infiltration und Überwachung. Brav sein, keinen Ärger/Fehler machen, Befolgung der Regeln, Verhaltensvorschreibungen als Instrumentarien von Sozialisation werden "vornehm", dem Protokoll entsprechend in Französisch vorgetragen. Die offensichtliche Resignation und Ermüdung des Mädchens in der erschöpfenden Privatunterrichtsituation läßt auf eine kontinuierliche Eintrichterung von Regeln schließen. Regeln als präventive Maßnahmen gegen Kastrationsängste, Angst vor Machtverlust seitens der Lehrerin als Vertreterin der symbolischen Ordnungen Sprache und Schule spiegelt die Strukturen symbolischer Systeme wider. Fehlervermeidung (brav sein/good girl) und Affirmation als ein Ziel bestehender Macht-und Leistungsmechanismen. Der "drohende" Fehler wird (vor)korrigiert.

 

Kai Kuss (Austria)
"Im Süden viel Neues"

 

"Canal medial"
Mediale Berichterstattung als heißumkämpfte Zone politischer Interessensvermittlung, Intervention und Präsenz soll am Beispiel Italiens thematisiert werden. Silvio Berlusconi, dessen Wahlsieg durch seinen Medienkonzern (beinahe Medienmonopol) ermöglicht wurde, repräsentiert hier stellvertretend diesen "typus politicus medial". Der politischen Instrumentalisierung von Medien, dem Fehlen von Informationen, Thematisierungen und Bewußtmachungsprozessen, Verfälschungen, dem "objektiven" Nachrichten-System soll ein subjektives gegenübergestellt werden. Wer trifft die Auswahl innerhalb des Informationsangebots, ist "Herr der Themen" des Nachrichtenmarktes? "Im Süden viel Neues" Videodokumente und Interviews mit in Italien lebenden Ausländer-Innen, die von ihren subjektiven Erfahrungen und von Problematiken in der Migration und (Nicht?)-Integration, von ihrer "verordneten Identitätsrolle als AusländerInnen erzählen. Sizilien, als politischer Tatort, äußere Südgrenze Europas, noch immer Festung gegen albanische oder afrikanische Flüchtlinge, die noch immer als Bedrohung, als muslimische "Invasoren" bezeichnet werden, ist Drehort in der "Zone verlorener Orte". "Alltags-Beispiele" von Diffamierungen und xenophobischen Reaktionen auf das Anders sein, - ghettoisiert und kriminalisiert zu werden -, eingeteilt in Kategorisierungen verschiedener "Ausländer-Klassen". Subjektive Berichterstattung von subjektiven Realitäten, die in krassem Gegensatz zum Imaginären der Erwartungen und Wünsche vor der Immigration stehen, ebenso wie zur selektierten "allgemeinen Meldungsübersicht" der "objektiven" Berichterstattung. Teleproduzierte Externalisierungsprozesse. "Error Fatal" Fehler in der Präsentation und Vermittlung, von Nicht-stattfindenden-Thematisierungen und Bewußtmachungsprozessen im soziokulturellen und politischen Kontext, als Thema von Kunstprojekten, verlagert den politischen Diskurs in den ästhetisch theoretischen Bereich. Systemerweiternd, als Bewußtmachungs-Mechanismus, jedoch mit begrenztem Handlungsspielraum, da ohne sozialer und politischer Infrastruktur und Lobby, mit der Möglichkeit auf Verantwortlichkeitslöcher, Fehlen von ... im politischen System in einem anderen Wertesystem hinzuweisen.

 

Marisa Maza (Spanien)
"Freie Intervalle.vbm-98"
"Möglichkeiten der Bewegung"

 

Disziplinen: Eisschnellauf, Eiskunstlauf/Paartanz, Gewichtheben. Sportliche Leistungen, Leistung und Funktionieren generell als primäre Systemwerte, als Symbol der Instrumentalisierung und Programmierung von Körpern und Verhaltensmustern im perfektionsorientierten, wettbewerbsgeprägten gesellschaftlichen Kontext. Subjektive Identitäten werden aufgelöst, kollektiviert in nationale Identitäten, transformiert in Ideal-Identifikations-Figuren. Vorprogrammierte Idealbilder des "So-Sein-Müssens", konstruierte Vorbilder als Kontrollinstrumentarium um subjektive Identitäts-Mängel, Unbewußtes, Freistellen zu besetzen. Identifikationen mit öffentlichen Personen, Stars, anonymen Unterhaltungsrepräsentanten ersetzt und verlagert private Ebenen realer Beziehungen in den Über-Ich Bereich des Imaginären. Eisschnelläufer: Wer ist am schnellsten, Sieger, "auf dünnem Eis"? Die Angst vor dem Fehler/Versagen und gleichzeitig das gespannte Warten auf den Fehler, der mögliche Sturtz/Absturtz in der Öffentlichkeit, der Fehler als Sensation, vermischt Interesse mit voyeuristischer Schadenfreude, ist der Kick für die BetrachterInnen. Marisa Mazas Blick fokussiert Beine, Geschwindigkeits-Instrumente, fehleranfällige Fragmente des Funktionsapparates, vorerst geschlechtsneutral, Ende 1. Teil. Frau Schmit: beschreibt körperliche und sexuelle Veränderungs-merkmale ihrer transsexuellen Umwandlung, eine Frau, die plötzlich stark wie ein Mann wurde, Ende 2. Teil. Eiskunstlauf/Paartanz: Blick auf männliche und weibliche Tanzbeine, "auf dünnem Eis", wer kooperiert/entspricht am Besten im 3/4 Takt, ist das ideale Paar, schwebend, lächelnd? Ende 3. Teil. Gewichtheberin: Gesichtsausdrücke, Verzerrungen, fast Grimassen (oder Masken bestimmter Identitäts-Rollen) einer Gewichtheberin dokumentieren die diversen Anstrengungs-Kraft- Schmerz-Phasen des Gewichte-Stemmens (Lasten-Hebens). Eine Frau, die plötzlich stark wie ein Mann ist und dies in einer Performance demonstriert, wer ist am Stärksten? Ende 4.Teil. Systemvorgaben für männliche wie weibliche Identitätsrollen, trainiert schnell zu sein, trainiert Frau oder Mann zu sein, trainiert ideal ergänzender, funktionierender Partner zu sein, trainiert stark zu sein im alltäglichen Leistungswettkampf der Fehlerprävention. Patriarchale Verhaltensregeln in symbolischen Ordnungen, nach wie vor, systemübergreifend.

 

Ella Raidel (Austria)
"Trophäen des Alltags"

 

Auf einem Fließband in einem Fotolabor rasen in der letzten Produktionsstufe die bereits entwickelten Fotos auf die Schneidemaschine zu, begleitet von Maschinengewehr ähnlichen Tönen der Schneidevorrichtung. Die vorbeirasenden Fotos ergeben eine serielle Bildabfolge, private Bildsequenzen formatieren einen endlosen kollektiven Erinnerungsfilm, mixed private memories, ausgespuckt von einer kollektiven Erinnerungsmaschine. Erinnerungen werden entwickelt, verfälscht und verzerrt, besetzen schwarze Löcher des Gedächtnises, Momentaufnahmen von Erlebtem, die die Erinnerung auf 9x13 Format reduzieren und zementieren. Der Blick des Anderen, des Fotografierenden programmiert die Erinnerung. Fehler in der Erinnerung, die nicht fotografierten Momente, die nicht bildgewordenen, vergessenen. Ein privates Bilderproduktions-Labor, Ort der Produktion subjektiver Geschichten und Identitäten und gleichzeitig Ort der Produktion von Fehlern in subjektiven Geschichten und Identitäten. Ausgangspunkt von Imaginärem. Bildwerden von Erinnerungen, Subjektives wird öffentlich. Serielle Bilderproduktion, Löcher und Fehler in der Erinnerung von subjektiven Systemen, oder objektiven wie der Kunstgeschichte oder Geschichte generell.

 

Wilkie Tan (Singapur)
"Tamagotchi"

 

Ein "Künstler-Selbstporträt" als Tamagotchi, eine interaktive Computeranimation in einem simulierten Designer-Studio, mit der Spiel-Aufforderung an die BetrachterInnen das Tamagotchi physisch wie psychisch zu versorgen, oder sich auch bei der Beobachtung, wie das Tamagotchi über einen Zeitraum von 12 Stunden zu einem deformierten Roboter heranwächst, zu langweilen. Ein Künstler-Simulakrum, ferngesteuert, ein virtueller Roboter oder Avatar, der auf elektronische Impulse von Anderen angewiesen ist und reagiert, und klick, sein Programm nur so aktiviert wird und das Tamagotchi "lebendig". Eine virtuelle Künstlerexistenz, eine designte, digitalisierte, Künstleridentität, deren Überlebensfunktionen (Reale) externalisiert und digitalisiert sind, systemimmanent virtualisiert. Das Überleben im System wird auf objektivierte, instrumentalisierte Grundbedürfnisse reduziert. In diesem Tamagotchi-Rollen-Spiel wird das "Objekt des Begehrens"als "virtuelle Comic-Figur" codiert, zu einem "Objekt der Bedürfnisse". Konkrete Bedürfnisbefriedigung von biologischen Funktionssystemen wird zu einem auf Konsumtion getrimmten Programm-Spiel. Das Tamagotchi-Überleben hängt von den BetrachterInnen/Usern ab, von deren Interaktions- Bereitschaft, die jedoch das vorprogrammierte Tamagotchi-Schicksal der Transformation in einen Roboter-Freak nicht verhindern können. Nicht zu unterschätzen, die Machtposition über die Abschalt-möglichkeit und die auftretenden Funktionsstörungen ohne Input. Systemimmanente Abhänigkeiten. Gebrauchsanleitung und Spielfehler.

 

Gerlinde Helm (Austria)
EX_tension_.time.IN_line.ON_#1

 

Short-Cuts des Heimlichen

Gerlinde Helm generiert in computerbearbeiteten Videosequenzen "Spiegelbilder des Selbst", beschleunigt diese auf Hochgeschwindigkeit, läßt sie vorbeirasen in einem Fluß der permanenten Transformation, entwickelt ein Zeichen-System, einen Bilder-Code subjektiver Körpersprache. Die Auflösung und Abstraktion der Selbst-Bild-Identität, des Imaginären erfolgt durch das Legen von Nähten als Spiegelungsachsen. Die ständige Transformation des Spiegel-Ichs konstruiert einen Automatismus von Veränderungsstrukturen. Ein Codekarusell, ein dreidimensionales Kommunikationssystem, das vom Subjekt ausgeht, dieses als Signifikant in einem kaleidoskopischen Signifikanten-Raum setzt, der sich in einer Endlosschleife, wie aus sich selbst heraus ständig neu generiert. In diesem System der Signifikanten-Überlagerung versteckt sich das Subjekt des Unbewußten. Da wo Es spricht, nicht die intendierte Sprache, sondern Versprecher, Signale des Unkontrollierten, läßt sich eine Ahnung von "Short-Cuts" aus den Leerstellen des Unbewußten gewinnen.

 

Short-Cuts des Unheimlichen

Der den Selbstporträts unterlegte Ton, Geräusche die aus Gerlinde Helms Mund herausdröhnen, vertont/repräsentiert die "Rolle des großen Anderen", die symbolische Ordnung, innerhalb derer die Instrumentalisierung des Subjekts zum Objekt vollzogen wird. Das Unheimliche des "Lautbildes³ entsteht durch den Eindruck, daß ein Anderer sich des Subjekts als Sprachrohr bedient, mit teils animalischer und teils digitaler Stimme aus dem Off. Diese sich sonst im Verborgenen befindende "Stimme³ der symbolischen Ordnung wird sichtbar/hörbar wenn das Verhältnis zwischen Oberfläche und dem was sich dahinter befindet unterbrochen wird. Cuts in der Oberfläche, Fehler in der Oberfläche, irritieren die Relationen von geschlossenen Systemen, zwischen Signifikat und Signifikant, zwischen immaginärer und symbolischer Ebene, können Hinweise auf das Reale sein. Ein rhythmisierter Bilderfluß, der glatte Oberflächen aufreißt und lineare Strukturen in vorprogrammierten Wahrnehmungsmustern unterminiert.

 

Sabine Winkler

 

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