Tina Bara

fragile portraits

17.1. – 18.2.2003

 

balance_1.jpg (31026 Byte)balance_1a.jpg (25568 Byte)

aus "balance" 2000/2002
C-print, diasec

balance_2.jpg (40052 Byte)balance_2a.jpg (30544 Byte)

aus "balance" 2000/2002
C-print, diasec

balance_3.jpg (90486 Byte)balance_3a.jpg (36699 Byte)

aus "balance" 2000/2002
C-print, diasec

 

difference.jpg (63093 Byte)

aus "difference", 1990/2002
s/w Fotografie und Siebdruck auf Glas

 

Matura_2.jpg (49235 Byte)

aus "matura", 200/2002
C-Prints, Texte

 

Matura_1.jpg (26060 Byte)

aus "matura", 200/2002
C-Prints, Texte

 

Matura_3.png (222266 Byte)

aus "matura", 200/2002
C-Prints, Texte

 

ok_labor.jpg (90731 Byte)

aus "o.k.-labor", 1995/2002
Farblaserkopien

 

Plot_point_1.jpg (35967 Byte)

aus "Plot-Point", 1998/1999
C-Prints, Textvideo

 

Plot_point_2.jpg (49092 Byte)

aus "Plot-Point", 1998/1999
C-Prints, Textvideo

 

Plot_point_3.jpg (49136 Byte)

aus "Plot-Point", 1998/1999
C-Prints, Textvideo

 

Station_2002_4.jpg (33875 Byte)

aus "station" 1976/2002
Irisprints

 

Station_2002_2.jpg (41660 Byte)

aus "station" 1976/2002
Irisprints

 

Station_2002_1.png (14475 Byte)

aus "station" 1976/2002
Textblatt (Ausschnitt)

circle.jpg (75742 Byte)

aus "circle", 1989/2002
s/w Fotografien als Diaprojektion

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog

Das Ausstellungsprojekt fragile portraits greift auf fotografische Arbeiten von Tina Bara (Jg. 1962) zurück, die seit Mitte der 80er Jahre entstehen. Aktuelle Arbeiten zeigt sie in Kombination mit älteren, neu bearbeiteten. Entsprechend der vorhandenen Räumlichkeiten der Ausstellungsstationen wurde jeweils eine Auswahl aus dem vorhandenen Material getroffen. Ein individuell gestalteter Katalog gibt einen Überblick über 15 verschiedene Werkgruppen und einen Einblick in ihren künstlerisch-fotografischen Arbeitsprozess. Tina Baras Arbeiten beschäftigen sich mit den Themen Portrait und Identität.

circle 1989 / 2002

Als Ausgangsmaterial für die Diaprojektion circle benutzt Tina Bara 60 kleinformatige s/w Fotografien, die als letzte Begegnungen mit Freundinnen entstanden, bevor sie noch im Juli 1989 aus der DDR ausreiste. Um den Prozess des Fotografierens zu visualisieren, vergrößerte sie nicht die eine Aufnahme von jeder Freundin, sondern wählte sequenzartig fünf Fotografien der jeweiligen "Fotosession" aus, die, als Dias abfotografiert, das Materielle der Fotos zurückdrängen und in die Nähe zu filmischen Abläufen gelangen. Die Gleichzeitigkeit von drei Projektionen schafft eine intensive Begegnung innerhalb des "circle". Der Titel nimmt Bezug auf die kreisende Annäherung beim Fotografieren, aber auch auf die geschlossene dichte Welt der Portraitierten, die sich sinnlich und melancholisch aufgeladen der durchorganisierten, rauhen Außenwelt widersetzen wollte. Die Projektion ermöglicht es, das Intime und Fragile dieser Momente monumental und flüchtig zugleich erscheinen zu lassen.

Mit einem Stempelobjekt unter einer Glashaube kommentiert Tina Bara den Entstehungszusammenhang dieser Arbeit.

o.k. labor 1995 – 2002

Seit 1995 fotografiert Tina Bara in unregelmäßigen Abständen sich selbst mit der einfachen Geste des ausgestreckten Armes, der eine kleine automatische Kamera vor das eigene Gesicht hält. In der Regel tut sie das in Momenten des unbeobachtet Seins in Innenräumen. Installiert werden diese Fotos, die vom Discountanbieter o.k.labor entwickelt werden, in billigen Laserkopien als "wandbedeckende Tapete", in der sich die konkrete Person Tina Bara auflöst in einem/r Muster Frau. Es geht ihr um das Changieren zwischen authentischer Wirkung und dem Entzug von genaueren Informationen, um die Erforschung der Oberfläche ihres Gesichts und derer psychologischen Interpretationsmöglichkeiten. Die Variabilität des Ichs wird als vielfältige Größe vorgeführt, die dauernden Schwankungen unterliegt. Spuren von Stressbewältigungskampf und zunehmendem Alter führen zu Bildern, die öffentlichen Repräsentationsstrategien entgegen laufen. Durch die Bearbeitung am Kopierer und die leichte Präsentation werden die Fotografien zu beiläufigen Notizen des Alltags.

balance, 2000 – 2001

Auf den Fotografien führen nicht mehr ganz junge Frauen Haltungen vor, die dazu dienen sollen, sich körperlich und geistig stabil zu halten. Das Repertoire geht auf persönliche Anwendungsbereiche seitens der Fotografierten zurück und entstammt gymnastischen und energetischen Übungen zur Gesunderhaltung von Leib und Seele. Kombiniert werden diese

"Turnportraits" mit Sport- und Spielgeräten aus den 60er/70er Jahren, die auf die Kindheit der Portraitierten verweisen und Benutzungsvorgaben geben. Von diesen haben sich die Dargestellten gelöst, in dem sie selbstversunken in ihre eigenen Körper hinein fühlen und ihrerseits zur Nachahmung aufrufen.

revier, 2001

Auf den drei großformatigeren Fotografien benutzt die dargestellte Figur, hier die Künstlerin selbst, die Gegenstände und fügt sich in diese wie in die Landschaft ein. Landschaft wird hier als etwas Benutztes und vom Menschen Aufgeteiltes dargestellt: es wird immer noch gejagt, gefischt und geerntet. Die Person gebärdet sich jedoch fremd, nicht den Benutzungsvorgaben entsprechend. Sie entlarvt sich als Entspannung und Erkenntnis suchende Großstädterin, die auf ihre Art Kontakt mit der Natur sucht.

Sowohl balance, als auch revier spielen etwas ironisch, aber durchaus ernstgemeint, auf unsere Suche nach Ausgleich zu einem hektischen, angespannten Arbeits- und Lebensalltag an. Wie in früheren Körper-Portraits von Tina Bara geht es um kollektive persönliche Erfahrungen, Spannungs- Und Entspannungszustände, sowie Selbstbehauptungsstrategien im gesellschaftlichen Leben.

Die Einzelarbeiten Dach (I + II) und Berg, Mitte der 80er Jahre entstanden, korrespondieren mit den zu beiden oben genannten Serien.

matura, 2000 - 2002

Die Serie matura (Reifezeit) beschäftigt sich mit Identifikationsvorstellungen, Entscheidungsschwierigkeiten und Verortungsproblemen junger Frauen (zwischen 17 und 20) vor dem Abitur. Für die Fotos bat Tina Bara insgesamt 15 Mädchen, sich jeweils zwei Fotografien aus dem sie umgebenden Printmedienfundus herauszusuchen, die Portraitbilder von jungen Frauen zeigen, mit denen sie sich identifizieren wollen und mit Hilfe derer sie zwei unterschiedliche Seiten ihrer Selbst inszenieren können. Zusätzlich wurden Gespräche geführt über Berufswahl, Zukunftsvorstellungen, Selbsteinschätzungen, sowie die Bedeutung der ausgewählten Fotovorlagen. Allen Mädchen gemeinsam ist ein grundsätzliches Interesse an künstlerischen und gestalterischen Bereichen.

Den beiden Bildern ist jeweils ein Text zugeordnet. Eein "Vorlagenheft" zeigt die Vorbilder dieser Portraits.

Plot - Point, 1998-1999

Diese, ebenfalls textuell erweiterte, Serie von Portraitfotografien beschäftigt sich mit Frauen, die sich für einen Beruf entschieden haben. Sie bat Kolleginnen, sich jeweils für ein klassisches Portraitfoto in Dreiviertelpose zu präsentieren, bei dem sie der Gesichtsausdruck genauso interessierte, wie die von den Dargestellten gewählte Pose.

Auf einem Monitor läuft ein geschriebener Text in Form eines Filmabspanns, der Aussagen aus Gesprächen mit den Fotografinnen verdichtet wiedergibt. Es geht um Fotografie, den Prozess des Fotografierens und das besondere Interesse der einzelnen Künstlerinnen.

Ausgangspunkt für diese Arbeit bildeten Fragestellungen über Bedeutung und Stellenwert des selbst gewählten künstlerischen Mediums, dessen Möglichkeiten und Grenzen im Zeitalter medialer und digitaler Vernetzungen. Die Arbeit ist überschrieben mit einem Begriff aus der Filmästhetik: Die Funktion und der Sinn des Plot-Points ist einfach, die Geschichte voranzutreiben. Dieser Wendepunkt steht in direktem Bezug zu Tina Baras Arbeit, die für sich einerseits entschieden hat, ihr fotografisches und mediales Spektrum zu erweitern, um andererseits an der Fotografie festhalten zu können.

difference, 1990/2002

Diese Arbeit basiert auf Portraitfotografien, die Tina Bara 1990 von Frauen aufnahm, die, wie die Fotografin selbst, vor der Wende Ostberlin verließen, um in den Westteil der Stadt überzusiedeln. Inzwischen haben sich die Fotografien von dem konkreten Zeitbezug gelöst, und der Fotografin erschienen die Portraits nicht mehr ausreichend für ihren Vermittlungszusammenhang. Sie hat die Bilder als kleinformatige Erinnerungen auf Glasscheiben geklebt, denen sie eben solche Glasscheiben mit aufgedruckten Romananfängen (reale sowie fiktionale) hinzugefügt hat, welche eine Stimmung heraufbeschwören, die zu den Erinnerungen passt, ohne dass die Ost/Westthematik direkt benannt wird. Mit dieser Zufügung reagiert Tina Bara auf einen von ihr bereits mehrfach zitierten Satz Siegfried Kracauers (1927): "Hinter der Fotografie eines Menschen liegt seine Geschichte wie unter einer Schneedecke begraben". Difference bezieht sich sowohl auf die zeitliche Differenz zwischen den Fotoaufnahmen und den Erinnerungen, die sich in den zwölf Jahre später zugefügten Geschichten ablagern, sowie auf die Differenz zwischen Bild und erläuterndem Text. In diesem Fall geht eine direkte Übertragung von Text pro Bild nicht auf, und der Betrachter bleibt auf der Suche nach der möglichen konkreten Wahrheit.

station, 2002

Auch hier geht es um Erinnerung, Gegenwart und Identitätsverortung. Für diese Arbeit benutzt Tina Bara Fotografien, die sie machte, als es noch keine Vorstellung über ihr zukünftiges Leben gab – Bilder von Freundinnen an ihrem 14. Geburtstag, 1976, vor einer Bushaltestelle in einem kleinstädtischen Neubauviertel. Beigefügt wurde diesen neu vergrößerten Fotografien eine Texttafel in der Art eines vergrößerten Dokuments. Aufgezeichnet wurden Aussagen von ehemaligen Klassenkameradinnen über Alter, Beruf, sowie das positivste und negativste Ereignis des bisherigen Lebens, aufgenommen 1998 bei einem Klassentreffen, auf dem sie auch die fotografierten Geburtstagsgäste wiedersah.

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