Mangel an Identität, soziale, ökonomische oder politische Verunsicherung,
oder die Angst vor drohendem Verlust prägen und spalten subjektive
Konstellationen sowie gesellschaftliche Strukturen in konfliktgeladene Zonen.
Überlebensstrategien für Untrainierte, eine Auswahl: Das "Verkursungs”-Phänomen
und Verdrängungsmechanismen als Überlebensstrategien sollen durchleuchtet
werden, unter dem ökonomischen Aspekt von Angebot und Nachfrage, und unter
dem soziokulturellen Aspekt der Differenz der Ausgangsposition.
Das Phänomen der kursierenden Kurse, der "Verkursung" - entweder
man/ frau besucht einen Kurs oder leitet einen, um Körper oder Intellekt zu
trainieren, spiegelt generelle Verunsicherung wider. Angebotene Überlebensformeln,
Regeln/Rezepte, Schematas um den Anforderungen zu entsprechen: kein Problem.
Mit Hilfe von externen fremdgenerierten Überlebensstrategien werden Kodices
(Ratgeberliteratur) fürs erfolgreicher, glücklicher, gesünder und schöner
Leben zum Alltagsüberlebensprodukt stilisiert. Medial programmierte
Verhaltensmuster, die in Kursen trainiert werden können und Erfolg
versprechen. Kurse und Trainingsprogramme als weitverbreitetes Phänomen um
Leerstellen aktiv anderwertig zu füllen oder zu umgehen, die zuvor durch
Verdrängungsmethoden produziert wurden. Vorprogrammierte
Kurs-Verhaltensregeln um Überlebenskapazitäten zu steigern, ökonomisch
orientiert, verdecken oft das verdrängte Andere des Selbst.
Wie konstituieren sich Verdrängungsmechanismen im subjektiv privaten
Bereich und im objektiv öffentlichen Bereich? Systemimmanente Verdränungsmechanismen
im soziokulturellen Kontext als Pseudo-Überlebensstrategien? Verdrängung als
Methode um in einer konstruierten Scheinwelt/Realität unbehelligt von Störfaktoren
zu bleiben? Werden nicht immer wieder neue Verdrängungstechniken und
Technologien erfunden, angeboten und gefordert (von Arbeit über TV bis zum
Mobil-Telefon), und gibt es nicht bereits die "Pflicht" zu verdrängen
(immer gut drauf zu sein), sowie die "Pflicht" gesund zu sein?
"Narziss blickt nicht mehr in den stummen Spiegel, er braucht jemanden,
mit dem er telefonieren kann. "Video(r) ergo sum" ist [Martin]
Altmeyers Vortrag überschrieben. [...] Ich werde gesehen, also bin ich. Oder
besser: Ich habe ein Video von mir, also bin ich."1
1 Joachim Rogosch: "www.bin-ich-sexy.de",
Beim Psychotherapeuten-Treffen in Lindau reift die Erkenntnis: Die
Single-Gesellschaft hat ausgedient, in: Der Tagesspiegel, 30.04.02
Verdrängung des Selbst ins Abbild, aus dem Realen ins Virtuelle. Das
Gesehen/ Gehört werden wird ins Virtuelle verlagert, zum Ereignis stilisiert.
Wenn es in der Realität nicht stattfindet wird es ins Virtuelle verdrängt
und ritualisiert und somit scheinbar konstitutiv für das Selbst.
Subjektive und objektive Konstellationen, externe und interne Bedingungen
differenzieren Überleben (was ist für wen und wo Überleben) und Strategien
(welche, wie) gleichermaßen. Die Differenz der Ausgangspositionen,
gesellschaftlich geprägte Dispositionen und deren Konditionierungen, der
Habitus bestimmen die jeweiligen Strategieformen und Kapazitäten. Spuren von
kulturellen Entwicklungen/Erfahrungen und Sozialisierungsprozessen werden als
Ablagerungen eingeschrieben und bilden einen "unbewußten"
Verhaltens-Code-Speicher. Überlieferte Codes von Krisenmanagement?